Brückenschlag ins 21. Jahrhundert: Wie Roman Niewodniczanski den Saarweinen zu alter Stärke verholfen hat.

Qualität ist das Stichwort. „Wir sind verdammt zur Exzellenz. Wir müssen großartige Weine produzieren und dabei von Jahr zu Jahr besser werden“, sagt Roman Niewodniczanski und er weiß, dass es künftig noch schwerer werden wird. Denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich für Winzer und Landwirte innerhalb kurzer Zeit drastisch verändert. Klimawandel, Inflation, Fachkräftemangel, gestiegener Mindestlohn und hohe Energiekosten, nun auch noch das neue Weingesetz zur Herkunftsbezeichnung, das ab 2025 greift – das sind die Themen, die wie ein Damoklesschwert über allen Winzerbetrieben schweben. „Aber jede Krise ist auch eine Chance“, betont Niewodniczanski in einem Atemzug. Und dass er Krise kann, hat er vor 23 Jahren bewiesen, als er das in Wiltingen ansässige und heruntergewirtschaftete Weingut Van Volxem aufgekauft und in Rekordzeit zu alter Größe gebracht hat. Heute spielt nicht nur sein Wein an der Weltspitze mit, sondern auch die Region Mosel-Saar-Ruwer. Sie hat es neben Burgund, Bordeaux und Rheingau wieder in die Topliga der vier klassischen Weindestinationen geschafft.
Nur das Beste



Das damals wie heute ausgegebene Ziel: Als Winzer einen der besten Weine der Welt zu erzeugen. Und das zu Beginn einer Zeit, in der es um die Saarweine nicht gut bestellt war. Mit einer gehörigen Portion Mut, unendlich viel Fleiß und unglaublicher Überzeugungskraft ist ihm das Unmögliche gelungen: Er hat den Brückenschlag zu den großen Zeiten des angehenden 20. Jahrhunderts geschafft, als die Weine aus der Region zu den begehrtesten Weinen der Welt zählten. Preußische Weinbergs-karten und alte Preis- und Versteigerungslisten, die Roman akribisch studiert hat, zeugen davon, dass die Winzer von der Saar mit ihren Produkten höchste Verkaufspreise erzielen konnten. Aber für den Quereinsteiger hatten die alten Dokumente noch eine andere, richtungsweisende Bedeutung. Denn sie waren Orientierungshilfe für die Beibehaltung der aufwendigen handwerklichen Tradition in den Steillagen sowie der Weiterverarbeitung. „Alles von Hand“, erzählt er stolz und verweist auf die Reben und Trauben schonende Arbeitsweise, die sich nachhaltig und nachweislich auf die Qualität des Weines auswirkt, der ohnehin durch die extremen Steillagen und die mineralstoffreichen Böden ein Alleinstellungsmerkmal unter den Weinen hat.



Erfolge mit dem Weingut Van Volxem
Möglichst viel Sonnenlicht bei einem langsamen Reifeprozess – das ist der Vorteil extremer Steillagen mit bis zu 60°. Doch die Arbeit im Weinberg verlangt den Helferinnen und Helfern körperlich einiges ab. Mehrmals im Jahr muss Unkraut gejätet, müssen Reben beschnitten und entlaubt, Rosinen ausgelesen werden. Stroh, Dung und Steinmehl werden händisch verteilt. „Ohne mein fleißiges Team wäre all das nicht möglich“, betont der 52-Jährige.


















Fotos: Van Volxem
Zum Weingut gehören mittlerweile 85 Hektar überwiegend in Steillagen. Zu den Spitzenlagen zählen Scharzhofberger, Wiltinger, Gottesfuß und Volz. Stillgelegte, als unwirtschaftlich eingestufte Hänge hat Roman Niewodniczanski aufgekauft und rekultiviert, das Lagenportfolio um Weinberge in Ockfen, Wabern, Saarburg und Kanzem erweitert. Seine Weine sind „Charakterweine“: trocken, mineralienreich und alkoholarm, mit einer feinen, dezenten Süße. Durch Beschränkung der Ertragsmenge können die Früchte besonders lange reifen. Im Sinne der Qualitätsssicherung erfolgt die Neu- und Nachpflanzung mit wurzelechten Selektionsreben. Die Zeitschrift „Weinwirtschaft“ kürt 2009 und 2011 seinen Saar-Riesling zum besten Weißwein des Jahres. Weitere Auszeichnungen folgen. Bereits 2012 ernennt ihn das Magazin „falstaff“ zum „Winzer des Jahres“. 2017 wird der Scharzhofberger Pergentsknopp vom „Vinum Wine Guide“ zum besten Weißwein Deutschlands gekürt.



Das neue Weingut
Im aufstrebenden Unternehmen in Wiltingen, angesiedelt in einem ehemaligen Jesuitenkloster, wird es immer enger und bei einer Produktionsmenge von 600.000 Flaschen die Aussiedlung aus dem Zentrum unvermeidbar.Im Juli 2019 wird die neue Weinmanufaktur auf dem Schlossberg eröffnet. Die neue Produktionsstätte an exponierter Stelle garantiert die nachhaltige Optimierung sämtlicher Arbeitsabläufe und erlaubt dem Team, ausschließlich über Schwerkraft zu arbeiten. Ein äußerst schonender Prozess, weil er die pumpenfreie Verarbeitung der Trauben und Moste ermöglicht.Im Raritätenkeller garantieren die Edelstahlfässer, horizontal gelagert und wabenförmig angeordnet, über viele Jahre eine perfekte Reifung auf der Feinhefe. Daran angrenzend verbirgt sich ein großer Keller mit Holzfässern aus familien- eigenen Eifeler Eichen, das Herzstück der neuen Manufaktur.Der Besucherbereich ist im turmähnlichen Monolithen untergebracht und soll als attraktive Landmarke der Saar dienen. „Wenn die Menschen von unten hochschauen, sollen sie sich über den Zopfträger freuen,“ formuliert es Niewodniczanski auf seine eigene Art.












Fotos: Van Volxem
Werte
„Jeder Mensch braucht etwas, das ihn antreibt“, sinniert der 54-Jährige, der seine Bestimmung zwar früh verspürt, aber dann doch relativ spät umgesetzt hat. „Auf Umwegen“, wie er erzählt.Als studierter Betriebswirt und Wirtschaftsgeograf gehört er zu den „Quereinsteigern“ unter den Winzern – eine Bezeichnung, auf die er stolz ist und die er auch bei seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit einem Mehrwert an Erfahrung und bleibender Neugierde verbindet.Roman ist nicht nur ein Kind seiner Zeit, sondern auch ein Kind der Nachkriegsgeneration, die mit Zielstrebigkeit, Konsequenz und enormem Fleiß Aufbauarbeit geleistet hat. „Ich bin werteorientiert“, sagt er im Hinblick auf seine elterliche Prägung.Sein Vater Thomasz, gelernter Kernphysiker und Sammler kartografischer Werke, führte 30 Jahre lang die Geschäfte der Bitburger Brauerei, seine Mutter Marie-Luise, Professorin für Denkmalpflege, engagierte sich für den Erhalt historischer Bausubstanz in der Eifel. Seine ausgeprägte Liebe zum Wein aber verbindet er unweigerlich mit seinem Großvater, der zwar Brauereibesitzer war, aber „an Feiertagen aus alten Kristallgläsern bernsteinfarbenen Riesling von Egon Müller trank“. Der würdige Umgang mit dem Moselwein und der beseelte Blick hätten sich tief in sein Gedächtnis geprägt und nicht mehr losgelassen, erinnert er sich gerne.„Wenn man in einer Unternehmerfamilie aufwächst, orientiert man sich an den Werten, die die Eltern vorleben. Irgendwann sucht man eine eigene Rolle in der Gesellschaft.“



In Wiltingen habe er seine Chance gesehen, seine eigene Biografie zu schreiben und etwas Bleibendes zu hinterlassen. Diese Werte gibt er weiter, beispielsweise bei Vorträgen vor Studenten, bei Verkostungen und Präsentationen vor Sommeliers u.a. in London, Chicago, New York, Stockholm, Zürich, Wien oder Hamburg. Denn er begreift es als seine Mission, die Erfolgsgeschichte des Saarweins mit traditionellen Werten wie Fleiß, Pflichterfüllung und Verantwortungsgefühl in die Welt zu senden. Wein ist KulturDamit gibt er aber auch zugleich ein politisches Statement ab: Für ihn ist Wein Kultur, die beispielsweise rechtsradikalen Menschen fehle. „Verblendete Menschen trinken keinen Wein. Ihnen ist nicht am gegenseitigen Austausch gelten, sie lösen Konflikte nicht im Gespräch, sondern mit Gewalt“, hält er fest und verweist auf die gemeinsame Aktion mit dem FC-St.-Pauli-Museumsverein aus dem Jahr 2021: 3.000 Flaschen seiner Riesling-Sonderedition hatte er unter dem Motto „Kein Wein den Faschisten“ zum Verkauf für den guten Zweck zur Verfügung gestellt.


































































Fotos: Van Volxem/Edith Billigmann