Wie geht es weiter nach der Brustkrebs-Diagnose? Dr. med. Marion Klieden im Trierer Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen beantwortet wichtige Fragen zu operativen Methoden der Rekonstruktion.
Jedes Jahr erkranken rund 70.000 Frauen an Brustkrebs, der häufigsten Krebsart bei Frauen. Und diese werden immer jünger. „Eine Frau mit vierzig galt vor zwanzig Jahren noch als Seltenheit, heute stellen die Vierzig- bis Fünfzigjährigen den Hauptanteil der Erkrankten. Zudem sehen wir immer mehr Patientinnen in den 20-ern“, führt Dr. med. Marion Klieden, Leitende Ärztin im Brustzentrum des Mutterhauses der Borromäerinnen in Trier, aus.
Das liege nicht nur an einer verbesserten und frühzeitigeren Diagnostik, sondern, so ist die Gynäkologin überzeugt, möglicherweise auch an bisher noch nicht näher definierten Umweltfaktoren. Überhaupt hätten sich die Therapiemöglichkeiten und Früherkennungsmaßnahmen wesentlich verbessert, auch seien mittlerweile die Prognosen sehr gut.
Operiert werde möglichst brusterhaltend. Hier habe sich hinsichtlich des Brustaufbaus viel getan. „Gerade für jüngere Frauen spielt das Körperbild und der Erhalt der Funktion eine wichtige Rolle. Auch eine Patientin nach Brustkrebs kann noch stillen“, so Klieden im Interview mit der eff-Redaktion. Welche Methoden es gibt, erfahren Sie hier.

Die Diagnose Brustkrebs stellt Frauen vor starke psychische Herausforderungen. Wie können Sie betroffenen Frauen Mut machen?
Dr. med. Klieden: Die Diagnose Brustkrebs ist ja zunächst einmal eine Schockdiagnose. Die Frauen sind unsicher und fragen sich: Wie geht es nach der OP weiter, werde ich je wieder gesund? Wie sehe ich danach aus, wie definiere ich mein Selbstbild als Frau?
Dazu lässt sich sagen: Brustkrebs ist mittlerweile sehr gut behandelbar. Nicht nur die Therapiemöglichkeiten und die psychologische Betreuung der teils schwer traumatisierten Frauen haben sich deutlich verbessert, sondern auch die Möglichkeiten, die Brust nach einer OP wieder aufzubauen.
Welche Möglichkeiten der Rekonstruktion gibt es?
Dr. med. Klieden: Unser Ziel ist es, möglichst brusterhaltend zu operieren. Ist der Tumor im Vergleich zur Brust relativ klein – einen Tumor von fünf Zentimetern würde man bei einem A-Körbchen nicht mehr brusterhaltend operieren – , dann ist die einfachste Methode das Ausschneiden des Tumors, das Mobilisieren des umgebenden Drüsenkörpers und schließlich das Vernähen der Haut. Sollte es nach der OP einen deutlich sichtbaren Größenunterschied geben, kann im weiteren Verlauf die gesunde Brust verkleinert werden. Das nennt man im Fachjargon angleichende Reduktionsplastik.
Bei größeren Defekten und auch nach Entfernung der Brust gibt es die Möglichkeit, die Brust mittels Rotationslappenplastik, Eigengewebsverpflanzung – darunter versteht man die Freie und die Gestielte Lappenplastik – oder mit Implantaten wieder aufzubauen. Dabei hat der Wunsch der Patientin oberste Priorität.
In welchen Fällen gelingt eine brusterhaltende OP nicht?
Dr. med. Klieden: Beispielsweise wenn sich mehrere Tumore in der Brust gebildet haben oder der Krebs in die Lymphspalten der Haut gewachsen ist, kann die Brust nicht erhalten werden. Das gleiche gilt, wenn das Karzinom die gesamte Brust durchsetzt hat oder die Relation zwischen Tumor- und Brustgröße sehr ungünstig ist. Dann muss die Brust komplett entfernt werden.



Erklären Sie uns kurz die Methoden der Lappenplastiken.
Dr. med. Klieden: Wie der Name schon sagt, werden bei der Rotationslappenplastik Unterhaut und Haut in den Defekt verschoben und vernäht.
Bei der Nutzung von eigenem Gewebe, der sogenannten autologen Methode, unterscheidet man die Freie Lappenplastik und die Gestielte Lappenplastik. Bei ersterer wird Haut- und Fettgewebe vom Unterbauch oder Haut- und Muskelgewebe von der Innenseite des Oberschenkels entnommen, zur Rekonstruktion der Brust eingenäht und mit neuen Blutgefäßen versorgt. Es ist die chirurgisch aufwändigste, aber vom kosmetischen Ergebnis her auch natürlichste und dauerhafteste Rekonstruktion der Brust.
Diese Operation bieten wir in unserem Hause nicht an, da die Nachfrage bei uns sehr überschaubar ist. Für Frauen, die eine solche Operation wünschen, arbeiten wir eng mit der Plastischen Chirurgie des Ludwigshafener BG-Klinikums zusammen.
Bei der Gestielten Lappenplastik kommt das Gewebe, das in den Defekt verschoben wird, aus der benachbarten Region wie dem queren Unterbauchmuskel oder dem breiten Rückenmuskel. Die Blutversorgung aus der Ursprungsregion bleibt erhalten. Diese Methode empfehle ich unseren Patientinnen nicht mehr, weil sie mit vielen Nebenwirkungen behaftet sein kann. Auf ausdrücklichen Wunsch können diese Operationen aber in unserem Hause durchgeführt werden.
Kommen wir zu den Implantaten, die vielen ja von Schönheitsoperationen für Brustvergrößerungen bekannt sind.
Dr. med. Klieden: Darum geht es bei einer Mastektomie, wie die Entfernung des Brustdrüsengewebes genannt wird, nicht. Es geht vielmehr darum, die körperliche und emotionale Belastung der Frau möglichst gering zu halten. Das erreichen wir beispielsweise sehr gut, wenn die Brust bei einer Amputation in gleicher Sitzung wiederaufgebaut wird und der Hautmantel noch gut erhalten ist. Am schnellsten gelingt das mit Implantaten. Diese sind gefüllt mit Kochsalz oder Silikongel und werden entweder hinter oder vor den Brustmuskel platziert.



Für die Patientin bedeutet die Sofortrekonstruktion der Brust, dass die Körperkontur weitgehend erhalten bleibt und sie ihren beruflichen und sozialen Aktivitäten uneingeschränkt nachgehen kann.
Auch in der Partnerschaft gibt es weniger Probleme, weil die Frau mit ihrem Körperbild besser zurecht kommt. Allerdings ist im Unterschied zur Eigengewebsplastik die Lebensdauer von Implantaten begrenzt.
Und was ist, wenn eine Patientin Bedenkzeit braucht?
Dr. med. Klieden: Selbstverständlich ist nicht jede Frau zur sofortigen Rekonstruktion bereit. Und in einigen Fällen ist diese auch gar nicht zu empfehlen, beispielsweise wenn noch eine Strahlentherapie ansteht. Eine gewisse Zeit braucht man auch, wenn Drüsengewebe und Hautmantel entfernt wurden und eine Versorgung mit Implantaten oder Eigengewebe geplant sind. Dann kommt vor der Rekonstruktions-OP ein sogenannter Gewebeexpander zum Einsatz, der Haut und Muskeln nach und nach dehnt, bis die endgültige Versorgung erfolgen kann.
Für eine Angleichung gilt generell, dass die Primärtherapie wie Chemo und/oder Bestrahlung ein halbes bis ein Jahr zuvor abgeschlossen sein sollte.
Weitere Infos unter: https://www.mutterhaus.de
INFO
Dr. med. Marion Klieden (50) ist der Region von Geburt an eng verbunden. Das Licht der Welt erblickte sie im Mutterhaus der Borromäerinnen in Trier. Aufgewachsen ist Dr. med. Klieden in Pellingen, ihr Abitur hat sie am Angela-Merici-Gymnasium in Trier abgelegt. Nach dem Studium in Homburg-Saar trat sie zunächst ihren Dienst im städtischen Krankenhaus in Pirmasens an und war danach im Westpfalzklinikum in Kaiserslautern tätig. 2008 kehrte sie als Oberärztin ins Mutterhaus nach Trier zurück. Dort ist sie Leitende Oberärztin der Gynäkologie und Leiterin des zertifizierten Brustzentrums, Klinikum Mutterhaus.
Im zertifizierten Brustzentrum am Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen werden alle Erkrankungen der weiblichen Brust diagnostiziert und behandelt – besonders Brustkrebs. Die Früherkennung ist wichtig, um die Heilungsrate zu verbessern, hinzu erfolgt eine moderne, kompetente und fachübergreifende Behandlung. Die Betreuung im Brustzentrum am Klinikum Mutterhaus erfolgt durch ein erfahrenes und hoch qualifiziertes Team aus Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften. Jährlich werden über 300 Neuerkrankungen der Brust diagnostiziert, operiert und therapiert.















Fotos: Edith Billigmann; privat